Was macht der Durchschnitts-Auswanderer an einem Sonntag? – Er macht erstmal Feuer bis der Kamin brennt und lernt dann viele Einheimische kennen! Und testet das Notfallszenario.

Fazit: Es funktioniert! Und wir kennen sie jetzt alle: Die Nachbarn. Die Regionalpolizei. Die Nationalpolizei. Die Feuerwehr. Die Ambulanz. Das Spital.

Im Nachhinein kann man darüber lachen. Aber der Moment war schon krass. Obwohl… so ganz unvermutet traf es uns nicht. In den letzten Wochen waren bei grösseren Feuern im Cheminée immer mal Russ-Klumpen aus dem Kamin gefallen. Wir wollten einen Kaminfeger engagieren, aber den Beruf gibt es hier so anscheinend nicht. Die Vermieterin war uns keine grosse Hilfe, sie sagte nur, sie hätten dies immer selber erledigt – das letzte Mal erst vor einem Jahr.

Der schlimmste Alptraum aus meiner Kindheit wird wahr: Ich liege im Bett, jemand rennt durch die Tür ins Zimmer und schreit: Du musst sofort aufstehen, es brennt!

So geschehen vor zwei Wochen. Ich schlafe selig und süss, gewärmt von den ersten Sonnenstrahlen des Morgens, welche durchs Fenster ins Zimmer fallen, und hänge noch den letzten Träumen nach, als ich es erst laut rumpeln und dann Patric in ungewohnt sportlicher Manier die Treppen raufrennen höre. Bevor ich mich schlaftrunken darüber wundern kann, steht er auch schon im Zimmer und sagt: Du musst sofort aufstehen. Der Kamin brennt!

Während ich mir leicht unter Schock ein paar Kleider überziehe, und er bereits wieder die Treppe runterläuft, ruft er mir noch zu, dass ich die Katzen ins Auto und aus dem Haus bringen soll. Einen Moment lang stehe ich ratlos im Zimmer und tausend Gedanken gehen durch meinen Kopf: Ich muss unsere Sachen retten. Die wichtigen Dinge! Aber welches sind die wichtigen Dinge? Und wo sind sie überhaupt? Irgendwie kann ich keinen klaren Gedanken fassen.

Ich höre wie Patric mit dem Notruf spricht und schalte um auf «Funktionieren statt studieren». Im Bad finde ich unsere Katzenprinzessin, schnappe sie mir und bringe sie die Treppe runter in die Garage, wo die Transportbox zum Glück noch vom Vortag steht. Büsi da etwas unsanft rein und los, den Franzosen suchen. Der befindet sich ahnungslos und ausser Gefahr im Garten. Immerhin einer von uns hat also noch keinen Rauch inhaliert. 🙂 Bei Minou darf ich mir keinen Fehler erlauben. Der energische Herr befreit sich schnell und unzimperlich aus meinen Armen, wenn ich nicht aufpasse, und dann wird’s kompliziert. Aber auch er zeigt sich kooperativ und sitzt kurz darauf im anderen Abteil der Transportbox.

Ab ins Auto damit – wie gerufen steht Patric da, und wir bringen die Box in den Kofferraum. Er öffnet die Tore und ich fahre die Tiere in Sicherheit.

Das Wichtigste wäre erledigt. Und nun…? Ich kann’s nicht lassen und gehe nochmals ins Haus. Unterwegs begegnet mir Patric mit dem Computer und den Harddisks mit allen wichtigen Daten drauf, welche neben dem Cheminée standen – wenigstens einer von uns hat den Verstand noch beisammen. Ich werfe stattdessen einen Blick in die Küche, ins Cheminée – resp. was man davon in all dem Qualm, der sich im Haus ausbreitet, noch sehen kann. Völlig unüberlegt inhaliere ich auch eine grosse Lunge voll von dem beissenden Rauch, aber dieser eine Atemzug reicht, dass ich umdrehe und nach draussen gehe.

Dort drückt mir Patric das Telefon in die Hand und sagt, ich soll eine Nummer zurückrufen. Ich versteh eigentlich gar nicht, was genau… aber sage «ja» und weg ist er, mit den Worten: «Wo bleibt denn die Feuerwehr?!» Er versucht mit dem Feuerlöscher das Feuer etwas einzudämmen. Nützt’s nichts, so schadet es nichts. Dummerweise gibt es nur einen Pulverfeuerlöscher im Haus; das Pulver kommt ihm aus dem Cheminée direkt wieder entgegen und die Küche wird nebst dem Rauch auch grosszügig mit einem hübschen Staubfilm bedeckt.

Dann kommt die Polizei in die Urbanización gefahren. Ich war noch nie so froh, ein Polizeiauto zu sehen!

Als die Herren von der Regionalpolizei eintreffen, fragen sie erstmal nach Menschen und Tieren im Haus. Und nach Ausweispapieren. Und ob wir das Haus besitzen oder gemietet haben.

Inzwischen trifft auch die Feuerwehr ein (man hört sie von weitem) und die Nationalpolizei. Ziemlicher Aufmarsch in unserer Strasse! Auch vom Feuerwehrmann werde ich als erstes gefragt, ob noch Tiere im Haus sind.

Die Helden der Feuerwehr beginnen ruhig, aber schnell mit ihrer Arbeit; einen von ihnen sehe ich im Qualm in der Küche stehen. Ein Feuerwehrmann fragt mich nach einem Eimer, damit er das Wasser, was seine Kollegen von oben in den Kamin spritzen, unten auffangen und rausschütten kann. Patric telefoniert mit der Vermieterin. Oben aus dem Kamin kommen inzwischen stattliche Flammen. In dem Moment fragen wir uns, was im Haus wohl alles schon brennt. Schlechtes Gefühl…

Die Nationalpolizei stellt uns ebenfalls Fragen nach Ausweisen, Mietverhältnis, Versicherung. Und unserem Wohlbefinden, wieviel Rauch wir inhaliert haben etc.
Anscheinend bemerkt man eine Rauchvergiftung eher später; die Symptome kommen schleichend. Patric ist ziemlich fahl im Gesicht. Und wir müssen den Polizisten und Feuerwehrmännern versprechen, uns nachher bei einem Arzt untersuchen zu lassen, wenn das Feuer gelöscht ist.

Die Nachbarn kommen hinzu, stellen sich vor und laden uns ein, bei ihnen Kaffee zu trinken und unser verpasstes Frühstück einzunehmen. Mega lieb! Aber wir können hier noch nicht weg. Das ganze Notfallkommando ist ja noch vor Ort – da kann man als Hauptakteur schlecht verschwinden. 🙂

Als Patric sich dann hinsetzt, weil es ihm schwindlig wird, rufen die Polizisten die Ambulanz.

Während wir Fragen beantworten – die Leute sind echt geduldig und sehr freundlich mit uns und unserer Sprachbarriere! – und bei den Löscharbeiten zusehen, fragen wir uns, wieviele Tage oder Wochen es wohl dauert, bis wir hier wieder einziehen können. Wohin mit den Katzen? Wohin mit uns?

Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Wir können wieder in unser Haus. Und auch den Kamin wieder nutzen. Aber erst, wenn er vom Kaminfeger gereinigt worden ist, sagt der Feuerwehrmann.

Schliesslich ist das Feuer gelöscht, die Ambulanz hat Patric fest im Griff und unter Sauerstoff gestellt.
Ein Feuerwehrmann geht mit mir in die Küche und erklärt mir, dass er im Haus alle Fenster geöffnet hat und ich diese für ein paar Stunden offen lassen soll, damit der Rauch abzieht. Die Sicherungen müssen ausgeschaltet bleiben, bis ich alles Wasser aus der Küche geschafft habe.

Das ist super, denn ohne Strom geht auch keine Wasserpumpe; sprich: Händewaschen, Toilettenbesuch etc., unmöglich. Und überhaupt – wie putzt man ohne fliessendes Wasser?

Während Patric für weitere Abklärungen ins Spital gefahren wird, kommen unsere Nachbarn vorbei und bringen Backwaren für unser verpasstes Frühstück. Das hat mich echt berührt! Immerhin kannten wir uns bis anhin nicht mal. Nach Essen ist mir zwar grad ausnahmsweise nicht zumute. Aber das ist echt lieb von ihnen!

Die Herren von Feuerwehr und Polizei verabschieden sich. Und ich gehe erst mal zum Auto, um die Katzen wenigstens in die Garage zu bringen… Da stoppt mich der Polizist und fragt sogleich, wohin es denn gehen soll… Er befürchtet wohl, ich hab einen Schock und mach mich mal aus dem Staub.  🙂

Wir hatten echt Glück im Unglück. Ausser dem Kamin hat nichts gebrannt. Ausser in der Küche steht nirgends Wasser. Das neue Sofa stinkt nicht mal nach Rauch.

Aber der Feuerwehrmann ist, um die Fenster zu öffnen, durchs ganze Haus gegangen – in seinen Russ-Wasser-Feuerwehrstiefeln. Es gibt für mich also einiges zu tun, bis ich Patric im Spital abholen kann. Hoffentlich noch heute – mir fällt hier so allein echt etwas die Decke auf den Kopf.

Das Szenario in der Küche ist schon grotesk; man steht in Wasser, alles ist schwarz, stinkt und ist mit einer Staubschicht überzogen… Die Früchte sind nur noch an ihrer Silhouette zu erkennen unter dem graubraunen Staub. Auf den Getränken in den Gläsern schwimmt Staub. Die Stühle, die Regale, das Geschirr auf der Spüle und der Kochherd – alles liegt unter Staub. Ton-in-Ton graubraun. Phu.

Da weiss man echt nicht, wo anfangen. Und gleichzeitig startet das Kopfkino… Die Gedanken nehmen wieder Fahrt auf und es wird einem erst jetzt richtig bewusst, was man da grad durch hat und wie knapp es auch schlechter hätte ausgehen können.

In der Zwischenzeit hat mich Patric laufend mit Bildern und Geschichten aus dem Spital aufgemuntert. Wenigstens den Humor hat er nicht verloren, und ganz so blass schaut er auch nicht mehr aus unter der Sauerstoffmaske.

Nach einigen Stunden Wasser schöpfen kann ich Patric endlich aus dem Krankenhaus abholen.

Gemeinsam schrubben wir den ganzen Abend lang weiter – und am Ende lässt es sich (abgesehen von einem Berg Russ-Wäsche, der noch zu erledigen ist) wieder einigermassen leben in unserem Haus. Die Katzen sind jedenfalls dankbar, können sie aus der Garage wieder in die Wohnräume umziehen.

Ein paar Tage später kommt unsere Vermieterin zusammen mit dem Versicherungsagenten, um den Schaden zu besichtigen und besprechen. Während wir auf sein Eintreffen warten, sprechen wir über das Feuer und nochmals über den Kaminfeger. Die Vermieterin ist ganz erstaunt, dass wir von der Feuerwehr die Auflage erhielten, den Kamin erstmal zu reinigen und meint: «Aber der ist ja jetzt sauber; der Russ ist ja verbrannt!?»

Sie fragt uns, wieviele Feuerwehrautos denn hier waren etc. und wir entschuldigen uns nochmals, dass wir fast ihr Haus abgefackelt haben… Die Vermieterin nimmt es erstaunlich gelassen und wir sagen zu ihr, es sei schon ziemlich ernst gewesen, immerhin sind die Flammen in stattlicher Grösse aus dem Kamin gekommen.

Sie sagt nur: «Ja, ja, ich weiss! Ich kenne das! Uns ist das auch schon dreimal passiert!»

Unsere Kinnladen hängen und wir fragen nach, ob sie denn keine Feuerwehr hatte? Sie meint, nein-nein. Einfach das Feuer im Cheminée ausmachen und dann warten, bis der Kamin fertig ausgebrannt ist. Dann ist er auch gleich wieder sauber!

Alles klar…! Das meinte sie wohl damit, dass sie den Kamin jeweils selber gereinigt hat…   😀

 

Das Cheminéefeuer kurz vor dem Kaminbrand:

 

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